
D2C macht’s möglich! — Der direkte Draht zum Kunden hat einen neuen Markt geschaffen
Die Möbelindustrie kämpft seit Jahren mit einer zunehmenden Konzentration auf der Abnehmerseite. Doch unter dem Radar etablierter Vermarktungsstrukturen haben sich zahlreiche neue Wettbewerber etabliert, die den direkten Draht zum Kunden suchen und darin wirtschaftlich sehr erfolgreich sind. Das zeigt eine aktuelle Analyse einer Personal- und Unternehmensberatung
Schreiner als Pioniere des D2C-Geschäfts
Was viele Schreiner längst wissen, wird nun zunehmend zum Erfolgsmodell: Der direkte Weg zum Verbraucher kann hochprofitabel sein – Gewinnmargen von 30 Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Während sich Handel und Industrie mit endlosen Konditionsverhandlungen, Konventionalstrafen und der administrativen Abwicklung aufreiben, haben sich findige Unternehmen einen neuen Spielraum erschlossen – sie verkaufen Möbel, meist Kastenmöbel, direkt an Endkunden.
Technologie als Wachstumsmotor
Ermöglicht wird dieses Modell durch spezialisierte IT-Lösungen – etwa von Anbietern wie imos – und darauf abgestimmte Produktionseinheiten. Diese sind in der Lage, mit minimalem Personalaufwand (teils nur 2 bis 3 Personen) zehntausende Varianten von Möbeln zu fertigen. Die „neuen Direktvermarkter“ agieren häufig unterhalb des Radars der traditionellen Handelsbetriebe und der Kastenmöbelindustrie – kommen in Summe aber bereits auf einen spürbaren Marktanteil.
Nahtlose Prozesse vom Klick zur Maschine
Der Hauptabsatzweg für diese „kleinen Produzenten“ sind Online-Shops, in denen Möbel individuell konfiguriert werden können. Die Auftragsdaten fließen häufig direkt in die Maschinensteuerung und ermöglichen so bereits eine durchgängige Prozesskette von der Bestellung bis zur Fertigung. Möglich wird das durch Maschinenhersteller, die erkannt haben, dass in Westeuropa immer weniger große Maschinenstraßen gefragt sind. Vielmehr sind flexible, kompakte Produktionssysteme gefragt, die auch für wachsende Betriebe in Schwellenländern attraktiv sind. Zwei Entwicklungen greifen hier ineinander – die Anforderungen in den neuen, exportorientierten Märkten und der Strukturwandel in Europa.
Mass Customization auf wenigen Quadratmetern
Moderne Maschinenstraßen passen heute auf wenige Quadratmeter und ermöglichen nahezu unbegrenzte Variantenvielfalt. Dank flexibler Plattenlieferanten, die direkt oder über Großhändler auch kleinste Mengen just-in-time bereitstellen, können kleine Unternehmen individuelle Maßmöbel mit hoher Oberflächenvielfalt anbieten – ganz ohne Abstriche bei Qualität oder Lieferzeit.
Schreinereien als „Hidden Champions“
Einige Großschreinereien nutzen diese Möglichkeiten in der Supply Chain gezielt, um ausgewählte Handelskanäle im In- und Ausland zu beliefern. Sie verzichten bewusst auf Messeauftritte und Verbandsbindungen, montieren die Möbel manchmal sogar direkt im Namen des Händlers beim Endkunden – und erreichen dabei nicht nur hohe Kundenzufriedenheit, sondern bewahren sich dabei auch ein vergleichsweise hohes Maß an unternehmerischer Freiheit.
Vom Regionalbetrieb zur Online-Marke
Regionale Schreinereien beliefern traditionell den Verbraucher, sind im Objektgeschäft aktiv und unterstützen den Möbelhandel bei Bedarf. Dieses breite Kundenspektrum sorgt für einen meist ausgeglichenen Auftragseingang und hilft, das vertriebliche Risiko zu streuen.
Neu ist jedoch, dass immer mehr dieser Betriebe über Online-Shops und moderne Logistikkonzepte nun auch einen schnellen, direkten Zugang zu einer breiteren Kundengruppe gefunden haben – weit über ihre ursprüngliche regionale Reichweite hinaus. Damit erschließen sich neue Wachstumspotenziale, ohne die gewachsenen Strukturen aufzugeben.
Erfolg über Sichtbarkeit
Entscheidend für den Erfolg im D2C-Geschäft ist die Sichtbarkeit im Internet. Ob über eigene Shops oder Plattformen – Reichweite ist der Schlüssel. Erfolgreiche Anbieter investieren bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes in Online-Werbung, etwa über Google Ads oder Plattformprovisionen, die 15 bis 35 Prozent pro Auftrag betragen. Wer seine Kollektion überzeugend präsentiert und hält, was er verspricht, kann so auf Umsätze von 5, 10 oder 15 Millionen Euro und mehr kommen – und das sogar recht schnell.
Profitabilität statt Skalierung
Während in den 2010er Jahren Skalierung das Maß aller Dinge im E‑Commerce war, rücken heute zunehmend dauerhafte Profitabilität und Effizienz in den Fokus. Viele D2C-Anbieter setzen auf schlanke, technologiegestützte Strukturen und bewusst begrenztes Wachstum.
„Wir haben in den letzten Wochen Shops kennengelernt, bei denen die bestellten Artikel direkt in die Produktion laufen, dort automatisiert gefertigt, anschließend manuell verpackt und per DPD & Co. versendet werden – mit minimalem Personaleinsatz. Wer das beherrscht, arbeitet hochprofitabel“, erklärt Thaddäus Rohrer, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Beratung.
Software als Schlüssel zur Wertschöpfung
Der Dreh- und Angelpunkt dieser neuen Wertschöpfungskette ist eindeutig: Software, Software, Software. Online-Shops, Konfiguratoren, Produktionssteuerung, 3D-Visualisierung und Logistik – der Markt ist vielfältig, es hakt aber oft an mangelnder Durchgängigkeit. Daran wird an vielen Stellen gearbeitet und es verfestigt sich der Eindruck, dass der Markt aktuell die größten Fortschritte bei kleineren Möbel-Unternehmen macht.