GPT statt www: Brauchen wir das Internet noch?

Jed­er merkt den Wan­del des Webs durch kün­stliche Intel­li­genz. Doch erset­zt KI den Men­schen und das Web als Infor­ma­tion­squelle? Laut ein­er Studie der Eid­genös­sis­chen Tech­nis­chen Hochschule Lau­sanne überzeu­gen Chat­bots wie GPT‑4 in Online-Debat­ten bere­its mehr als Men­schen. In 64 Prozent der Fälle wirk­te die KI ein­leuch­t­en­der als ein Men­sch [1]. Wie wirkt sich diese Tat­sache auf das Inter­net aus?

Trotz KI-Explosion: Google legte rund 20 % zu in 2024

Aktuellen Dat­en von SEM­rush und Datos zufolge verze­ich­nete Google Search im Jahr 2024 ein Wach­s­tum von etwa 20 %. Google ver­ar­beit­ete damit in 2024 rund 373-mal mehr Suchan­fra­gen als Chat­G­PT. [2] Und das, obwohl die KI-Über­sicht­en der Such­mas­chine im Jahr 2024 noch lang nicht über­all auf der Welt ver­füg­bar waren.

Google bleibt mit einem Mark­tan­teil von über 83 Prozent bei Desk­top-Such­maschi­nen und 95 Prozent bei mobilen Suchen der dominierende Akteur. [3]

Die Such­mas­chine ver­ar­beit­et täglich etwa 5,8 Mil­liar­den Suchan­fra­gen und gener­iert rund 63 Prozent des gesamten Web­site-Traf­fics. Zwar führt Google zunehmend KI-gener­ierte Antworten ein, doch diese basieren auf Inhal­ten beste­hen­der Websites.

Wie viele verlieren Unternehmen durch KI-Antworten?

Eine Studie von Kevin Indig und Eric Van Buskirk zeigt, dass durch Googles AI Overviews weniger Men­schen auf Links klick­en: Auf dem Desk­top sinkt die soge­nan­nte Click-Through-Rate um bis zu zwei Drit­tel, auf mobilen Geräten fast um die Hälfte [4]. Für Web­sites bedeutet das weniger Besuch­er durch Suchmaschinen.

Gle­ichzeit­ig lohnt sich ein Blick auf die Qual­ität solch­er Besuche: Die durch­schnit­tliche Ver­weil­dauer auf B2B-Web­sites beträgt nur 1 Minute und 34 Sekun­den, bei B2C-Unternehmen sog­ar nur 1 Minute und 24 Sekun­den [5]. Von Klicks, die nur kurze Besuche brin­gen, haben Web­seit­en­be­treiber schon jet­zt wenig. Solche Besuche erzeugten schon vor der KI-Ära keinen nen­nenswerten Ein­nah­men – Ver­lage ausgenommen.

KI-Sys­teme brauchen das Inter­net­Woher stam­men die Infor­ma­tio­nen, die KI-Sys­teme nutzen? Sie ler­nen von vorhan­de­nen Web-Inhal­ten. Ohne die Mil­liar­den von Web­seit­en im Google-Index hät­ten Chat­G­PT, Per­plex­i­ty oder Microsoft Copi­lot eine dünne Wissensbasis.

Eine Adobe-Studie offen­bart sog­ar pos­i­tive Effek­te für Web­sites: Nutzer, die über KI-Sys­teme auf Web­seit­en gelan­gen, zeigen laut Studie ein um acht Prozent höheres Engage­ment und rufen zwölf Prozent mehr Seit­en pro Besuch auf. Die Absprun­grate liegt 23 Prozent niedriger als bei anderen Quellen [6].

Menschen fragen die KI eher nach Banalitäten

Bemerkenswert ist das unter­schiedlich hohe Ver­trauen in KI je nach Kontext:

  • Bei all­ge­meinen Infor­ma­tio­nen ver­trauen über 70 Prozent der Deutschen den Ergeb­nis­sen von KI-Anwen­dun­gen und über­prüfen diese nicht. [7]

  • Bei medi­zinis­chen Ratschlä­gen sinkt das Ver­trauen deut­lich, sobald Men­schen glauben, dass diese von einem Chat­bot stam­men. [8][9]

Diese Zahlen zeigen: Men­schen suchen je nach Kon­text ganz unter­schiedliche Quellen – von schnellen KI-Antworten bis hin zu tiefge­hen­den Expertenmeinungen.

Und die Men­schen liegen mit ihrem Mis­strauen richtig: Eine Colum­bia Jour­nal­ism Review-Studie belegt: KI-Such­sys­teme liegen häu­fig falsch – im Schnitt in über 60 Prozent der Fälle [10]. Das zeigt die bleibende Bedeu­tung ver­lässlich­er men­schlich­er Quellen.

Wer­den Men­schen schneller ler­nen als KI? Dass KI keine zuver­läs­sige Infor­ma­tion­squelle ist, zeigen die ein­fach­sten Suchan­fra­gen. / WORTLIGA

Das Internet ist tot – es lebe das Internet

Google wurde zu Beginn des KI-Booms schnell tot­ge­sagt – und bald kön­nte laut Experten wie Prof. Mario Fis­ch­er auch das freie Inter­net ver­schwinden. 10 bis 15 Jahre gibt der Pro­fes­sor für Wirtschaftsin­for­matik an der FH Würzburg dem Netz noch. [11] Er nen­nt das freie Web auf LinkedIn sog­ar eine Über­gang­stech­nolo­gie. [12]

Doch fes­tle­gen will auch Fis­ch­er sich nicht. In der Beschrei­bung seines Vor­trags heißt es, dass „die klas­sis­chen HTML-Web­seit­en und Ange­bote vielle­icht ver­schwinden und durch virtuelle AI-Assis­ten­ten erset­zt wer­den“ kön­nten. [11]

Sich­er ist: Weniger wertvolle Klicks ver­schwinden, während Nutzer geziel­ter zu Inhal­ten gelan­gen. Der Erfolg viel­er Unternehmen hängt zunehmend von der Qual­ität ihrer Web-Inhalte ab.

Antwortet KI bald zuver­läs­siger als bei der Frage nach Auto-Abmes­sun­gen, kön­nte sie dauer­haft als ern­stzunehmende Infor­ma­tion­squelle dienen – und als Fil­ter von Inhal­ten, die nur für Such­maschi­nen erstellt wurden.KI braucht das freie Inter­net drin­gend. Anders gesagt: Sollte das Web irgend­wann ver­schwinden, haben auch Chat­G­PT und Google ein Problem.

Quellen:

[1] www.spektrum.de/news/k…en/2267692 [2] https://sparktoro.com/…n‑chatgpt/ [3] www.seo.com/de/blog/se…tatistics/ [4] www.netzoekonom.de/202…en-laesst/ [5] databox.com/blogging-statistics [6] the-decoder.de/webseiten-zugriffe-aus-ki-suchen-nehmen-laut-adobe-studie-rasant-zu/[7] www.sueddeutsche.de/wi…li.3245716 [8] www.uni-wuerzburg.de/a…r‑chatgpt/ [9] www.pharmazeutische-ze…ge-149071/ [10] www.campixx.de/magazin…ft-falsch/[11] https://www.campixx.de…-seo-ende/ [12] https://www.linkedin.c…bdomain=de

Gidon Wag­n­er
Cred­it: Thomas Bauer

Autor / Kontakt
Gidon Wag­n­er 
WORTLIGA Tools GmbH
gwagner@wortliga.de

Gidon Wag­n­er ist Experte für Online-Kom­mu­nika­tion, KI und Ver­ständlichkeit. Er ist Geschäfts­führer der WORTLIGA Tools GmbH. Das Unternehmen entwick­elt Werkzeuge für pro­fes­sionelle Texte – darunter die WORTLIGA Tex­t­analyse für ver­ständliche Sprache und ansprechende KI-Texte sowie den WORTLIGA Ghost­writer, ein KI-Sys­tem für fak­ten­basiertes Schreiben nach jour­nal­is­tis­chen Stan­dards. Wag­n­er ist Autor des Fach­buchs Der Klar­text-Effekt (Springer Gabler) und berät unter anderem Gen­er­ali und die Tagesschau.