Den digitalen Produktpass meistern!
Der DPP als Gemeinschaftsprojekt der Einrichtungsbranche steht in den Startlöchern

Rund 100 Experten aus der Ein­rich­tungs­branche trafen sich am 6. und 7. Novem­ber im Köl­ner Bauw­erk, um sich auf dem 8. IWO­furn Sum­mit über den Dig­i­tal­en Pro­duk­t­pass auszu­tauschen. Das The­ma war dabei alles andere als the­o­retisch und trock­en – 12 Ref­er­enten begeis­terten mit prax­is­na­hen Vorträ­gen und demon­stri­erten an diesem Tag vor allem eines: Im DPP steckt jede Menge Busi­ness-Poten­zial. Dass der Umset­zung nichts mehr im Wege ste­ht, zeigten die ersten bei­den Show­cas­es, die der Branchenöf­fentlichkeit erst­mals auf dem Sum­mit präsen­tiert wurden.

„Jet­zt ist der richtige Zeit­punkt anz­u­fan­gen“, motivierte Gast­ge­ber und Inte­grat­ed Worlds-Geschäfts­führer Klaus Bröhl die Zuhör­er, „denn wer nur darauf wartet, wann die entsprechen­den Regelun­gen in Kraft treten, ver­passt die Dynamik, die schon jet­zt im DPP steckt. Alles, was es dazu braucht, ist bere­its vorhan­den: Dat­en, Stan­dards, Infra­struk­tur und jede Menge Anwendungsfälle.“

Nie­mand kön­nte dies bess­er demon­stri­eren als Keynote-Speak­er Dominik Cam­panel­la, Mit­grün­der und CEO von Con­cu­lar. Das 65-köp­fige Team trans­formiert die Immo­bilien- und Baubranche hin zu ein­er nach­halti­gen Kreis­laufwirtschaft – mit Forschungsak­tiv­itäten, Beratung, Lob­by­ing, Nor­mungsar­beit und der Ein­führung eines Gebäude-Ressourcenpass­es. Die Wirkung ist in diesem Bere­ich beson­ders groß, da die Baubranche auf­grund ihres hohen Ressourcenbe­darfs als größter CO2-Emit­tent gilt. „Wir merken, dass etwas in Bewe­gung kommt und dass wir den Bausek­tor nach­haltig verän­dern kön­nen“, sagte Cam­panel­la, der mit sein­er Keynote für viel Gesprächsstoff auf dem Net­work­ing-Abend sorgte. Bei Live-Musik und dem ein oder anderen Kölsch wur­den inten­sive Gespräche geführt und neue Kon­tak­te geknüpft.

Am Kon­feren­z­tag ging es the­ma­tisch direkt hinein in die Ein­rich­tungs­branche, denn Klaus Bröhl, Dr. Hol­ger Berg (Wup­per­tal Insti­tut für Kli­ma, Umwelt, Energie), Dr. Olaf Plümer (Dat­en Com­pe­tence Cen­ter und VDM), Prof. Dr. Ing. Wegen­er (Siemens Tech­nol­o­gy) und Meik Bill­mann (Indus­tri­al Twin Ass­so­ci­a­tion) erläuterten die Grund­la­gen für dig­i­tale Pro­duk­t­pässe Möbel und Küchen. Hol­ger Berg stellte fest, dass der DPP das zen­trale Infor­ma­tion­ssys­tem für alle Arten der Kreis­laufwirtschaft wer­den wird. Die „grü­nen“ Schlag­worte laut­en: Re-fuse, Re-think, Re-duce, Re-use. Re-repair, Re-fubish, Re-man­u­fac­ture, Re-pur­pose, Re-cycle und Re-cover.

Der IWO­furn Sum­mit war auch deshalb so rel­e­vant, weil die Beschäf­ti­gung der Möbe­lin­dus­trie mit dem DPP drin­gend notwendig ist. Denn auch wenn der genaue Zeit­plan noch nicht fest­ste­ht, rech­nen Insid­er mit Über­gangs­fris­ten bis 2028, bis die Ökode­sign-Verord­nung (Ecode­sign for Sus­tain­able Prod­ucts Reg­u­la­tion – ESPR) in Kraft tritt. Bei der Umset­zung sollte also keine Zeit ver­loren wer­den, zumal ein­er Branchen­lö­sung nichts mehr im Wege steht.

Klaus Bröhl, Dr. Hol­ger Berg, Meik Bill­mann, Sascha Tap­ken, Prof. Dr. Ing. Dieter Wegen­er und Dr. Olaf Plümer im Gespräch (v.l.n.r.)

Denn über die Art und Weise der Umset­zung ist man sich weit­ge­hend einig: Für jedes Pro­dukt wird ein soge­nan­nter Daten­con­tain­er – auch dig­i­taler Zwill­ing genan­nt – benötigt. Und tat­säch­lich kon­nten pünk­tlich zum Gipfel zwei dig­i­tale Zwill­inge präsen­tiert wer­den, die das Kon­sor­tium Furniture‑X für einen Küchen­schrank von Nolte Küchen und einen Ses­sel von Polipol erstellt hat­te. Diese sind mod­u­lar nach dem Baukas­ten­prinzip der DPP 4.0‑Struktur der Indus­tri­al Dig­i­tal Twin Asso­ci­a­tion (IDTA) aufge­baut und ori­en­tieren sich inhaltlich an den ECLASS-Merk­malen. Treibende Kräfte dieser Ini­tia­tive waren Ani­ka Degen­hard (DCC), Ste­fan Willms (Mor­phe) und Zoran Sub­otin (Inte­grat­ed Worlds).

Einen Ein­blick in die prak­tis­che Anwen­dung gab Ron­ja Zopp­ke (Aquinos Bed­ding). Der Matratzen­her­steller beschäftigt sich seit Jahren mit Cir­cu­lar Design und steigert kon­tinuier­lich die Recy­clingquote – bei aus­gewählten Pro­duk­ten liegt sie bere­its bei 66 Prozent. Prak­tis­che Ein­drücke gab es auch von Ernst Esslinger (Homag), der aufzeigte, wie der Maschi­nen­bauer mit Hil­fe des dig­i­tal­en Zwill­ings bere­its den Engi­neer­ing-Prozess voll­ständig virtuell abbilden kann. So wird der manuelle Aufwand deut­lich reduziert, weil Kom­p­lika­tio­nen im Betrieb­sablauf, ins­beson­dere bei der Inbe­trieb­nahme, bere­its im Vor­feld erkan­nt wer­den können.

Ste­fan Willms (Mor­phe), Geritt Hoe­born (FIR an der RWTH Aachen) sowie Patrick Sönke (Inte­grat­ed Worlds) gaben kraftvolle Impulse für die wirtschaftlichen Poten­ziale, die im DPP liegen. Geritt Hoe­born stellte erfol­gre­iche Beispiele der Kreis­laufwirtschaft vor, mah­nte aber auch: „Die Trans­for­ma­tion zu ein­er wertschöpfend­en Kreis­laufwirtschaft führt zu verän­derten und kom­plex­eren Geschäftsmod­ellen und erfordert struk­turelle Verän­derun­gen in den Unternehmen.“

Patrick Sönke betonte, dass die Tech­nolo­gien für den Dig­i­tal­en Pro­duk­t­pass längst Real­ität sind und bere­its aktiv zur Wertschöp­fung im Tages­geschäft beitra­gen. „Wir befind­en uns nicht mehr in der Demon­stra­tionsphase – die prak­tis­chen Anwen­dun­gen sind ver­füg­bar und kön­nen sofort genutzt wer­den“, erk­lärte Sönke. In der Präsen­ta­tion der Show­cas­es von der Polipol Unternehmensgruppe und Nolte Küche wurde ent­lang des gesamten Pro­duk­tleben­szyk­lus (siehe Abb. unten) ver­an­schaulicht, welche Mehrw­erte ein dig­i­taler Zwill­ing bringt und wie der Dig­i­tale Pro­duk­t­pass naht­los inte­gri­ert wer­den kann:

  • Am Anfang ste­ht die dig­i­tale Pro­duk­tkon­fig­u­ra­tion, bere­its hier kön­nen Verkauf­sun­ter­stützende Infor­ma­tio­nen und weit­erge­hende Infor­ma­tio­nen wie der CO2-Fußab­druck durch den dig­i­tal­en Zwill­ing über­mit­telt wer­den. Kün­ftig wird ein Pro­dukt am POS im Bei­sein des Kun­den dig­i­tal kon­fig­uri­ert und dabei sofort die Instanz eines Assets erzeugt und alle rel­e­van­ten Infor­ma­tio­nen für den DPP wer­den unmit­tel­bar erfasst und bereitgestellt.

  • In der Logis­tik und Mon­tage bietet der dig­i­tale Zwill­ing jed­erzeit Zugriff auf Ver­sand­in­for­ma­tio­nen, Mon­tagean­leitun­gen und 3D-Mod­elle, wodurch Prozesse effizien­ter gestal­tet werden.

  • Der Ser­vice prof­i­tiert davon, da passende Anleitun­gen sofort abruf­bar sind, Rekla­ma­tio­nen und Repara­turen kön­nen doku­men­tiert, klas­si­fiziert und aus­gew­ertet wer­den. Zudem wurde gezeigt, wie neben dem DPP auch die neu erforder­liche EUDR-Reg­istrierung bere­its jet­zt im dig­i­tal­en Zwill­ing inte­gri­ert wird. Nicht nur bei der Her­stel­lung des Pro­duk­tes, son­dern auch im Ser­vice­fall – etwa bei einem Fußwech­sel – ist die neue EUDR-Reg­istrierung mit weni­gen Klicks ersichtlich und der DPP aktualisiert.

  • Am Ende des Pro­duk­tleben­szyk­lus unter­stützt es die gezielte Rück­gewin­nung von Mate­ri­alien, indem er präzise Infor­ma­tio­nen zu den ver­baut­en Rohstof­fen liefert.

Darüber hin­aus ermöglichen die enthal­te­nen Dat­en nicht nur effiziente Prozesse, son­dern bieten auch strate­gis­che Vorteile. So kön­nen Pro­dukt- und Design­trends durch Big Data Ana­lyt­ics frühzeit­ig erkan­nt und in die zukün­ftige Entwick­lung ein­be­zo­gen wer­den. „Die Daten­räume und Tech­nolo­gien sind bere­it – die Zeit, sie zu nutzen, ist jet­zt“, bekräftigte Patrick Sönke abschließend.

Die auf dem IWO­furn Sum­mit disku­tierten The­men wer­den vom FURNITURE‑X Kon­sor­tium weit­er ver­fol­gt. „Wer den DPP aktiv mit­gestal­ten und von den Vorteilen des dig­i­tal­en Zwill­ings prof­i­tieren möchte, ist her­zlich ein­ge­laden, sich mit uns in Verbindung zu set­zen“, so Dr. Olaf Plümer. Die Ini­tia­tive Moebel Digit@l berichtet regelmäßig über die neuesten Entwick­lun­gen rund um den DPP sowie über weit­ere Dig­i­tal­isierungs­be­stre­bun­gen in der Möbelbranche.