Mehrheit kauft online gebrauchte Waren –
Studie zeigt Potenziale des Re-Commerce

Berlin, 25. Juni 2025 — Der Online­han­del ist zum Motor für die Trans­for­ma­tion von ein­er lin­earen Wirtschaft zu ein­er Kreis­laufwirtschaft gewor­den. Das zeigt die Studie „Rel­e­vanz und Per­spek­tiv­en des Re-Com­merce für den deutschen Han­del“ (Down­load) des bevh gemein­sam mit dem Insti­tut für Han­del und Inter­na­tionales Mar­ket­ing an der Uni­ver­sität des Saar­lan­des und dem ibi research Insti­tut an der Uni­ver­sität Regens­burg. Die Studie ver­misst den Online­han­del mit gebraucht­en und wieder auf­bere­it­eten Pro­duk­ten aber auch Vin­tage-Artikeln in Deutsch­land, zeigt die ökol­o­gis­chen Poten­ziale und gibt Hand­lungsempfehlun­gen für bessere poli­tis­che Rahmenbedingungen.

„E‑Commerce ist ein zen­traler Hebel für eine funk­tion­ierende Kreis­laufwirtschaft und der Gege­nen­twurf zur Weg­w­erf­men­tal­ität. Er zeigt, dass preis­be­wusstes Einkaufen auch nach­haltig sein kann. Die Poli­tik kann wesentlich dazu beitra­gen, den Han­del auf diesem Weg zu unter­stützen. Als Branchen­ver­band wollen wir mit der Studie zeigen, wie das mach­bar wird“, erk­lärt Daniela Bleimaier, Lei­t­erin Pub­lic Affairs Deutsch­land und Regionales und zuständig für Nach­haltigkeit­s­the­men beim bevh. Die Ver­brauch­er erhiel­ten durch Re-Com­merce Zugang zu gut erhal­te­nen Waren zu gün­sti­gen Preisen. Ger­ade in umkämpften Preis­seg­menten sei er daher eine nach­haltige Alter­na­tive im glob­alen Wet­tbe­werb. Die Händler wiederum kön­nten Kun­den binden und im gle­ichen Zug den Einkauf bzw. die Beschaf­fung in Zeit­en anges­pan­nter Liefer­ket­ten durch lokales Sourc­ing unter­stützen, so Bleimaier weiter.

Markt wächst weiter kräftig

Neben den P2P-Plat­tfor­men haben in den ver­gan­genen Jahren mehr klas­sis­che Onli­neshops eine Sparte für gebrauchte Artikel ihrer Kun­den oder Vin­tage-Pro­duk­te aufge­baut. Dies stellt eine Erweiterung des zuvor meist pri­vatverkäu­flich bedi­en­ten Han­dels dar. Der Online­han­del ist dadurch eine wichtige Branche gewor­den, in der Artikel sys­tem­a­tisch wieder auf­bere­it­et und wieder in den Markt gebracht wer­den, Garantie- und Reparatur­möglichkeit­en inklu­sive. 2024 lag der Gesam­tum­satz des deutschen Re-Com­merce bei 9,9 Mil­liar­den Euro, das ist 7,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Das Mark­tvol­u­men des europäis­chen Re-Com­merce-Sek­tors im Geschäft­s­jahr 2022/2023 wird auf 94 Mil­liar­den Euro (Euro­stat) geschätzt. Im aktuellen Jahr wird ein Anstieg auf 120 Mil­liar­den Euro erwartet.

Re-Commerce für Verbraucher längst Normalität

Nach­haltigere Pro­duk­te zu gün­stigeren Preisen haben ein enormes Mark­t­poten­zial, wie eine repräsen­ta­tive Befra­gung von 1.903 Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten zeigt: 55 Prozent der Befragten geben darin an, im ver­gan­genen Jahr gebrauchte Pro­duk­te online gekauft zu haben. Dem gegenüber ste­ht ein Anteil von 52 Prozent der Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten, die gebrauchte Waren selb­st verkaufen – meist Mode, Büch­er und Elek­tron­ik. Vor allem jün­gere, höher gebildete und einkom­mensstarke Grup­pen kaufen häu­figer über Re-Commerce-Plattformen.

Nach der Moti­va­tion für den Kauf gebrauchter Waren gefragt, gaben 71,5 Prozent den Wun­sch nach mehr ökol­o­gis­ch­er Nach­haltigkeit an. Genau­so wichtig waren aber die gün­stigeren Preise und das bessere Preis-Leis­tungsver­hält­nis im Re-Com­merce (jew­eils 71,2 Prozent und 66,0 Prozent Zus­tim­mung). Mehr als die Hälfte (54,5 Prozent) der Befragten geben an, sich nach dem Kauf gebrauchter Waren mehr leis­ten zu kön­nen. Die Mehrheit (54,7 Prozent) ver­wen­det die Einsparun­gen für all­ge­meine Leben­shal­tungskosten. 35,8 Prozent nutzen das freie Geld, um weit­ere gebrauchte Waren zu kaufen, und 34,4 Prozent sparen das Geld lieber.

Die Wahrschein­lichkeit, dass sie in den näch­sten 12 Monat­en nochmals gebrauchte Pro­duk­te online kaufen, ist für 76,6 Prozent der Proban­den „hoch“. Zudem sagen 53 Prozent, dass sie zukün­ftig noch mehr gebrauchte Pro­duk­te online kaufen wer­den, als sie es ohne­hin tun. Auf­fäl­lig ist jedoch, dass Nach­haltigkeit als Motiv für kom­mende Käufe weniger wichtig wird: Für die Absicht, auch zukün­ftig gebrauchte Pro­duk­te zu kaufen, sind zunächst das Preis-Leis­tungsver­hält­nis (β = 0,165), die erweit­erten Kon­sum­möglichkeit­en (β = 0,165) und der Spaß (β = 0,163) entschei­dend, während die geschätzte Wichtigkeit von Nach­haltigkeit (β = 0,131) etwas geringer ausfällt.

Ökologisches Potenzial ist enorm

Der weitaus größte Anteil kli­maschädlich­er Auswirkun­gen von Pro­duk­ten fällt bei der Her­stel­lung an – bei Elek­tron­ikpro­duk­ten sind es mehr als 80 Prozent, bei Klei­dung über 70 Prozent der CO2-Äquiv­a­lente während des Leben­szyk­lus. Der Kauf von Sec­ond-Hand-Pro­duk­ten hinge­gen ist deut­lich umwelt­fre­undlich­er, weil diese nicht von Grund auf neu hergestellt wer­den. Möglich wer­den damit Einsparun­gen von 60 bis 80 Prozent der CO2-Äquiv­a­lente pro Artikel gegenüber Neuware. Auch wenn Re-Com­merce zusät­zliche Trans­portwege verur­sacht und das Sparen von Geld wiederum zu mehr Kon­sum führen kann, fällt die Klima­bi­lanz gebrauchter Waren im Ver­gle­ich deut­lich pos­i­tiv­er aus.

Rechtliche Hürden behindern Anbieter

Re-Com­merce wird von den Unternehmen als strate­gisch wichtige Ergänzung zu ihrem klas­sis­chen Geschäft gese­hen. Die Moti­va­tion reicht von ökol­o­gis­ch­er Überzeu­gung über wirtschaftliche Chan­cen bis hin zur Kun­den­bindung und Inno­va­tion­sori­en­tierung. Dem gegenüber ste­hen ins­beson­dere rechtliche & reg­u­la­torische Hür­den: Genan­nt wer­den von den Unternehmen unter anderem unklare Gewährleis­tungs- und Rück­gaberechte für gebrauchte Ware, steuer­liche Hür­den, z.  B. bei Dif­ferenzbesteuerung und Wiederverkäufen, man­gel­nde Pro­duk­t­dat­en (z.  B. Echtheit­snach­weis bei Luxu­s­pro­duk­ten) und unklare Ver­ant­wortlichkeit­en von Plat­tfor­men (z.  B. Transparenz‑, Kennze­ich­nungs- und Haftungspflichten).

„Re-Com­merce wird von der Poli­tik immer noch nicht als Teil der ökol­o­gis­chen Trans­for­ma­tion gese­hen und bei der Geset­zge­bung zu sel­ten mitbe­dacht. Ein poli­tis­ch­er Rah­men, der Re-Com­merce gezielt fördert, ist daher über­fäl­lig – sowohl auf nationaler als auch auf europäis­ch­er Ebene“, fordert Daniela Bleimaier. Es gäbe viel zu tun: Unter anderem müsse das Ver­trauen der Ver­brauch­er in den Re-Com­merce weit­er gestärkt wer­den, etwa durch ein­heitliche Güte­siegel oder Zer­ti­fizierung­spro­gramme und trans­par­ente Angaben zur Herkun­ft und durchge­führten Wieder­auf­bere­itun­gen. Die Mehrw­ert­s­teuer für Ver­brauch­er auf wieder­auf­bere­it­ete Pro­duk­te sollte reduziert und europaweit möglichst angeglichen wer­den. Dig­i­tale Pro­duk­t­pässe soll­ten zudem so gestal­tet sein, dass alle Anbi­eter auf rel­e­vante Infor­ma­tio­nen zur Reparier­barkeit zugreifen und diese ergänzen kön­nen. Auch soll­ten offene Daten­stan­dards für Pro­duk­t­in­for­ma­tio­nen, etwa zur Herkun­ft, Nutzungs­dauer oder Reparier­barkeit einge­führt wer­den. Pro­duk­tkennze­ich­nungsvor­gaben und Begriffs­de­f­i­n­i­tio­nen für „gebraucht“, „refur­bished“ und „recycelt“ müssten rechtlich ein­deutig gek­lärt und vere­in­heitlicht werden.

Der Bun­desver­band E‑Commerce und Ver­sand­han­del Deutsch­land e.V. (bevh) ist die Branchen­vere­ini­gung der Inter­ak­tiv­en Händler (d.h. der Online- und Ver­sand­händler). Neben den Versendern sind dem bevh auch namhafte Dien­stleis­ter angeschlossen. Nach Fusio­nen mit dem Bun­desver­band Lebens­mit­tel-Online­han­del und dem Bun­desver­band der Deutschen Ver­sand­buch­händler repräsen­tiert der bevh die kleinen und großen Play­er und mehr als 90 Prozent des Umsatzes der Branche im End­kun­dengeschäft. Der bevh ver­tritt die Branchen­in­ter­essen aller Mit­glieder gegenüber dem Geset­zge­ber sowie Insti­tu­tio­nen aus Poli­tik und Wirtschaft. Darüber hin­aus gehört die Infor­ma­tion der Mit­glieder über aktuelle Entwick­lun­gen und Trends, die Organ­i­sa­tion des gegen­seit­i­gen Erfahrungsaus­tausches sowie eine fach­liche Beratung zu den Auf­gaben des Verbands.

Seit 1993 bildet ibi research an der Uni­ver­sität Regens­burg GmbH eine Brücke zwis­chen Uni­ver­sität und Prax­is. Das Insti­tut betreibt anwen­dung­sori­en­tierte Forschung und Beratung, arbeit­et also mit den Meth­o­d­en der Wis­senschaft an den The­men der Prax­is, mit klarem Schw­er­punkt auf Inno­va­tio­nen und deren Umset­zung. ibi research konzen­tri­ert sich dabei auf die The­men­felder Dig­i­tal­isierung der Finanz­di­en­stleis­tun­gen und des Han­dels, im E‑Business genau­so wie im Mul­ti­kanal und im B2C-Geschäft genau­so wie im B2B-Geschäft. Das Forschungsspek­trum reicht von der Mark­t­analyse und Geschäftsmod­ell-Entwick­lung über Prozess­gestal­tung und Data Ana­lyt­ics bis hin zu Fra­gen der Gov­er­nance und Com­pli­ance. Zugle­ich bietet ibi research umfassende Beratungsleis­tun­gen zur Umset­zung der Forschungs- und Pro­jek­tergeb­nisse an.

Das Insti­tut für Han­del & Inter­na­tionales Mar­ket­ing (H.I.MA.) ste­ht für anwen­dung­sori­en­tierte Forschung zum Han­dels- und Dien­stleis­tungs­man­age­ment. Aktuelle Forschungss­chw­er­punk­te und Möglichkeit­en zum Wis­senstrans­fer liegen in den Bere­ichen Ver­trieb und Dis­tri­b­u­tion, E‑Commerce, Plat­tform-Ökonomien, inno­v­a­tive Geschäftsmod­elle und Nach­haltigkeit sowie dem Marken­man­age­ment und der Posi­tion­ierung. Das Insti­tut für Han­del & Inter­na­tionales Mar­ket­ing (H.I.MA.) gehört als Teilin­sti­tut zum „Insti­tut für empirische Wirtschafts­forschung“, das eine inter­diszi­plinäre Koop­er­a­tion zwis­chen Insti­tuten aus anderen Teil­bere­ichen der Wirtschaft bildet.

Pressekon­takt

Frank Düssler
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