Studie zeigt Kaufverhalten von Digital Natives:
Pragmatismus statt Sozialromantik

Auf Grund­lage des tech­nol­o­gis­chen Fortschritts im Han­del definiert jede Gen­er­a­tion neu, wie sie abseits von Ladengeschäften erre­icht wer­den möchte. Wie blick­en also 18- bis 25-Jährige, die in den kom­menden 25 Jahren den E‑Commerce neu prä­gen wer­den, auf die Her­aus­forderun­gen des Han­dels, auf seine For­mate und auf neue Tech­nolo­gien? Mit dieser Aus­gangs­frage ist im Kreis des bevh-Round­table „Forschung und Lehre“ die Studie „Next Gen­er­a­tion E-Commerce — Ein­blicke in das aktuelle und kün­ftige Kaufver­hal­ten junger Men­schen“ ent­standen (zum bevh).

Die an der Uni­ver­sität Ros­tock unter Leitung von Prof. Dr. Chris­t­ian Brock durchge­führte Umfrage basiert auf ein­er Stich­probe von 930 Proban­den, die nach dem Jahr 1995 geboren wur­den. Das Durch­schnittsalter lag bei 22 Jahren. Die Befragten gehören dem­nach zu den Dig­i­tal Natives, also zu jen­er Gen­er­a­tion, die mit dig­i­tal­en Tech­nolo­gien aufgewach­sen ist. 54 Prozent der Befragten waren Stu­den­ten, 24 Prozent Auszu­bildende, 11 Prozent waren bere­its in einem Angestell­tenver­hält­nis. 42 Prozent lebten in Metropolen oder Großstädten, 48 Prozent in Mit­tel- und Kle­in­städten oder Gemein­den. 55 Prozent der Teil­nehmenden waren Frauen, zwei Prozent beze­ich­neten sich als divers. Für die Ein­schätzung des zukün­fti­gen Einkaufver­hal­tens im Han­del wur­den mehr als 870 offene Antworten kat­e­gorisiert und analysiert.

„Aus Sicht der Forschung wer­den fol­gende fünf Punk­te wesentlich für die Zukun­ft des Han­dels sein: Tech­nolo­gie, Daten­schutz und Sicher­heit, per­son­al­isierte Einkauf­ser­fahrun­gen, schnelle Liefer­un­gen im E‑Commerce, Nach­haltigkeit sowie Umwelt­be­wusst­sein. Wir woll­ten wis­sen, wie sich dies im Infor­ma­tions- und Kaufver­hal­ten von Auszu­bilden­den und Studieren­den nieder­schlägt“, skizziert Chris­t­ian Brock die Forschungsfrage.

Die Ergeb­nisse zeigen, wie her­aus­fordernd Dig­i­tal Natives für den Han­del sind: „Wir sehen in den Dat­en eine neue Gen­er­a­tion, die zwar sehr wer­te­be­wusst einkauft, sich allerd­ings weit weniger ‚dis­rup­tiv‘ zeigt als wei­thin angenom­men. Es ist eine Gen­er­a­tion, die über den Schutz per­sön­lich­er Dat­en und der Umwelt nach­denkt. Sie zeigt sich darin aber dur­chaus prag­ma­tisch, pflegt keine Sozial­ro­man­tik und ste­ht neuen Tech­nolo­gien im Han­del aufgeschlossen gegenüber“, so Mar­tin Groß-Alben­hausen, Organ­isator des bevh-Round­table „Forschung und Lehre“ und Stel­lvertre­tender Haupt­geschäfts­führer des bevh.

Ins Geschäft nur noch für Alltagseinkäufe

Nach ihrem aktuellen Einkaufsver­hal­ten gefragt, gaben vier von fünf der befragten jun­gen Men­schen an, dass sie ihre Einkäufe regelmäßig über ein Smart­phone (84 Prozent) oder Notebook/PC (75 Prozent) erledi­gen. 75 Prozent kaufen am lieb­sten auf Online-Marktplätzen ein, 13 Prozent bevorzu­gen klas­sis­che Online­händler und 12 Prozent den Direk­tkauf bei Marken­her­stellern. Der Einkauf­sort „Ladengeschäft“ hinge­gen scheint für viele in Zukun­ft kaum noch rel­e­vant zu sein: Danach gefragt, wie sie sich das Einkaufen in 25 Jahren vorstellen, gaben knapp 75 Prozent der Befragten an, dass sie den über­wiegen­den Teil der Einkäufe online erledi­gen wer­den, rund 50 Prozent wollen nur noch in drin­gen­den Fällen Geschäfte betreten und 57 Prozent nur dann, wenn dort inter­es­sante und passende Pro­duk­te ver­füg­bar sind. Schaufen­ster­bum­mel – son­st wichtig für den Mod­e­han­del – kom­men nur noch weni­gen in den Sinn. 53 Prozent kön­nen sich nicht vorstellen, in 25 Jahren noch in der Innen­stadt Spon­taneinkäufe zu täti­gen, weit­ere 25 Prozent sind unentschlossen. Es gibt allerd­ings Branchen, die auch sta­tionär attrak­tiv bleiben. So kön­nen sich „nur“ 44 Prozent vorstellen, Lebens­mit­tel und Drogeriebe­darf regelmäßig nach Hause zu bestellen.

Hohe Wech­sel­bere­itschaft bei Händlerwahl

Die Studie unter­stre­icht die Annahme, dass Dig­i­tal Natives eine geringe Kun­den­loy­al­ität aufweisen und prag­ma­tis­ch­er als vor­ange­gan­gene Gen­er­a­tio­nen bei der Anbi­eter­auswahl vorge­hen. So würde sich etwa jed­er dritte Befragte als weniger oder nicht „engagierten“ Kun­den beze­ich­nen. „Engagiert“ bezieht sich in diesem Zusam­men­hang auf das sog. Cus­tomer Engage­ment, also Aktiv­itäten, die über die eigentliche Transak­tion hin­aus­ge­hen (bspw. Bew­er­tun­gen, Likes, Kom­mentare und Weit­erempfehlun­gen). Ein Zuge­hörigkeits­ge­fühl zu einem bes­timmten Händler haben lediglich 19 Prozent der Befragten und eine pos­i­tive Bew­er­tung für ein gekauftes Pro­dukt zu schreiben, käme nur für 18 Prozent in Frage. Nur 25 Prozent sehen Wech­sel­bar­ri­eren bei der Suche nach anderen Händlern.

Social Media verän­dert den Kauf­prozess: Insta­gram und YouTube vor TikTok

Sehr dif­feren­ziert gehen junge Men­schen auch bei der Nutzung von sozialen Medi­en vor: Die mit Abstand beliebtesten Plat­tfor­men sind YouTube und Insta­gram mit 94 Prozent bzw. 88 Prozent aktiv­en Nutzern unter den Befragten. Obwohl 55 Prozent soziale Net­zw­erke auch als eine Inspi­ra­tionsquelle für Einkäufe beze­ich­nen, lassen sich nur 20 Prozent auch von Influ­encern für Einkäufe begeis­tern. Wichtig­ster Kanal für Inspi­ra­tio­nen (für 62 Prozent der Befragten) und das Ent­deck­en und Einkaufen (für 55 Prozent der Befragten) ist Insta­gram. Für die Infor­ma­tion­ssuche wird am häu­fig­sten YouTube zu Rate gezo­gen (63 Prozent der Befragten). Tik­Tok lan­det in den drei Diszi­plinen mit kleinem Abstand auf dem drit­ten Platz. Face­book, Pin­ter­est und Twitch sind hinge­gen abgeschlagen.

Deutlicher Gender Gap bei nachhaltigem Konsum

Ökol­o­gisch und sozial ver­ant­wortlich­er Kon­sum ist eine Selb­stver­ständlichkeit für die meis­ten jun­gen Men­schen, auch suchen sie aktiv nach Unternehmen, die diese Werte teilen. Den­noch: Zwar geben 80 Prozent an, dass sie der ver­schwen­derische Umgang mit den vorhan­de­nen Ressourcen besorgt, ein Ein­fluss auf das Einkaufsver­hal­ten ist jedoch längst nicht bei allen erkennbar. Vor allem Män­ner ver­hal­ten sich ten­den­ziell weniger kom­pro­miss­bere­it: Während 40 Prozent der Frauen Unan­nehm­lichkeit­en in Kauf nehmen wür­den, um umwelt­fre­undlich­er einzukaufen, sind es bei den Män­nern nur 26 Prozent. 73 Prozent der weib­lichen, aber nur 52 Prozent der männlichen Befragten gaben an, dass eine nach­haltige Pro­duk­tion wichtiger sei als die Strahlkraft ein­er Marke. 47 Prozent der Män­ner wür­den bei Pro­duk­ten eher auf eine gute Qual­ität acht­en als auf Nach­haltigkeit, bei Frauen stimmten dem nur 26 Prozent zu. End­sprechend wür­den nur 37 Prozent der Män­ner sagen, dass die Sorge um die Umwelt ihr Kaufver­hal­ten bee­in­flusst, bei den Frauen sind es mehr als die Hälfte (55 Prozent).

„Der Wun­sch, nach­haltiger zu kon­sum­ieren, spiegelt sich häu­fig nicht im tat­säch­lichen Ver­hal­ten wider. In diesem Zusam­men­hang gilt es, dass Händler ver­suchen soll­ten, diese Lücke zu ver­ringern. Dabei zeigt die Forschung, dass bere­its die Bere­it­stel­lung von Infor­ma­tio­nen über trans­par­ente Arbeits­be­din­gun­gen und Umweltverträglichkeit im Her­stel­lung­sprozess der Pro­duk­te eine pos­i­tive Inten­tion auch in ein pos­i­tiveres Kaufver­hal­ten umwan­deln kann“, so Prof. Dr. Chris­t­ian Brock.

Risikobewusstsein gegenüber neuen Handelstechnologien

Allen Befragten der Studie wur­den Prax­is­beispiele von neuen Han­del­stech­nolo­gien vorge­führt, die sich bere­its am Markt etablieren. Anschließend wur­den sie nach ihrer Nutzungsab­sicht befragt. Pos­i­tive Ein­stel­lun­gen zeigten sich beson­ders gegenüber kassen­losen Geschäften sowie dem Einkaufen in virtuellen oder aug­men­tierten Real­itäten. Als wichtig­ste Motive für die Nutzung neuer Tech­nolo­gien wur­den der Wun­sch nach mehr Kun­den­fre­undlichkeit (z. B. Einkaufen rund um die Uhr) und nach einem nach­haltigeren Kon­sum genan­nt. In den Frage­bö­gen zeigt sich etwa die Hoff­nung, unnötige Retouren und Über­pro­duk­tio­nen zukün­ftig zu ver­mei­den, wenn Pro­duk­te in 3D betra­chtet und virtuell anpro­biert wer­den kön­nen. Allerd­ings hat auch die Tech­nikaffinität junger Men­schen ihre Gren­zen. Das gilt beson­ders für das Shop­pen per Gesicht­serken­nung und über Sprachas­sis­ten­ten. Die Daten­schutzbe­denken über­wogen die Nutzungsab­sicht in diesen Fällen deut­lich. 41 Prozent der Befragten wür­den ihre per­sön­lichen Dat­en in Zukun­ft nur noch teilen wollen, wenn sie dafür Geld oder andere spür­baren Vorteile als Gegen­leis­tung bekämen.

Down­load: Die Studie „Next Gen­er­a­tion E‑Commerce: Ein­blicke in das aktuelle und kün­ftige Kaufver­hal­ten junger Men­schen“ ste­ht ab sofort zum Herun­ter­laden bereit.

Über den bevh

Der Bun­desver­band E‑Commerce und Ver­sand­han­del Deutsch­land e.V. (bevh) ist die Branchen­vere­ini­gung der Inter­ak­tiv­en Händler (d.h. der Online- und Ver­sand­händler). Neben den Versendern sind dem bevh auch namhafte Dien­stleis­ter angeschlossen. Nach Fusio­nen mit dem Bun­desver­band Lebens­mit­tel-Online­han­del und dem Bun­desver­band der Deutschen Ver­sand­buch­händler repräsen­tiert der bevh die kleinen und großen Play­er und rund 90 Prozent des Umsatzes der Branche im End­kun­dengeschäft. Der bevh ver­tritt die Branchen­in­ter­essen aller Mit­glieder gegenüber dem Geset­zge­ber sowie Insti­tu­tio­nen aus Poli­tik und Wirtschaft. Darüber hin­aus gehört die Infor­ma­tion der Mit­glieder über aktuelle Entwick­lun­gen und Trends, die Organ­i­sa­tion des gegen­seit­i­gen Erfahrungsaus­tausches sowie eine fach­liche Beratung zu den Auf­gaben des Verbands.