
Furniture‑X mit interaktivem Status-Update zum Jahresende
Mit knapp 40 Teilnehmenden nahmen die Initiatoren und beteiligten Unternehmen der Furniture-X-Initiative am 5. Dezember an einem interaktiven Online-Treffen teil, das von Integrated Words organisiert wurde und das neben einem umfassenden Status-Update auch mehrere Workshops umfasste. Ziel der Veranstaltung war es, laufende und zukünftige Lighthouse-Projekte transparent zu machen, zentrale technische, strategische und inhaltliche Fragestellungen zu vertiefen und so die Weichen für die Zusammenarbeit 2026 zu stellen.
Digitaler Zwilling als branchenweite Chance
Klaus Bröhl, Mit-Initiator von Furniture‑X und Geschäftsführer von Integrated Worlds, eröffnete die Veranstaltung und erinnerte daran, dass es bei der Initiative von Anfang an darum ging, bestehende Konzepte und Standards pragmatisch zu nutzen, um konkrete und umsetzbare Anwendungsfälle auf Grundlage des digitalen Zwillings zu entwickeln. Bröhl stellte klar: „Je mehr Unternehmen verstehen, welche Potenziale an die Furniture-X-Initiative und den digitalen Zwilling geknüpft sind, desto schneller kommen wir zu marktreifen Projekten – und das nicht nur aufgrund regulatorischer Anforderungen, sondern weil alle Beteiligten einen echten Nutzen daraus für ihr Business ziehen.“
Diesen Gedanken griff Patrick Sönke, Geschäftsführer von Integrated Worlds, auf und stellte die Frage, wie die digitale Kollaboration entlang der Wertschöpfungskette weiter vertieft werden könne. Die Voraussetzung dafür aus seiner Sicht: „Zulieferer, Hersteller, Dienstleister, Handel und Verbundgruppen müssen kontinuierlich Impulse und Anforderungen an die Standardisierungsexperten und ‑gremien herantragen, um als Branche insgesamt effizienter, durchgängiger und wettbewerbsfähiger zu werden.“
Lighthouse-Projekte und technische Evaluationsfelder
Im Fokus des Online-Meetings stand dann der vertiefende Austausch über laufende sowie in der Entstehung befindliche Lighthouse-Projekte, die sich mit digitalen Produktschildern und ‑informationen, Stücklisten, komplexen Bestellprozessen sowie dem Thema Firmenanlage befassen. Darüber hinaus ist das Furniture-X-Konsortium in der Evaluationsphase aktuell mit fünf Themen beschäftigt, die allesamt einen starken technischen Hintergrund haben und die ohne entsprechendes Fachwissen nicht in Angriff genommen werden kann. Dabei geht es um die Klassifizierung von Daten, die Anreicherung von Katalogdaten, die EDI-Integration, den Dynamic Carbon Footprint sowie die Einbindung von Verwertern. Ziel ist es, diese Evaluationsprojekte zu einem späteren Zeitpunkt in die Reihe der Lighthouse-Projekte zu überführen.
R‑evolve als europäischer Referenzrahmen
Bastian Weippert, Projektmanager bei Integrated Worlds, stellte in seinem Beitrag das europäische Kreislaufwirtschafts-Forschungsprojekt R‑evolve vor, das durch die Europäische Kommission im Rahmen von Horizon Europe gefördert wird und dem die Furniture-X-Initiative inhaltlich eng folgt, allein schon weil Integrated Worlds und Heiner Strack als aktiver R‑evolve ‑Partner Verbindungen herstellt und stets über neue Entwicklungen direkt informiert ist. Das Projekt unterstützt die europäische Möbelindustrie beim Übergang zu kreislauforientierten Produkt-System-Innovationen und befasst sich mit neuen Geschäftsmodellen, kreislauffähigem Produktdesign, nachhaltigen Materialstrategien und der Einführung digitaler Produktpässe – ein Bereich, in dem bereits zahlreiche Möbelhersteller aus mehreren EU-Ländern aktiv mitwirken.
Datenräume als Grundlage für den digitalen Zwilling
In dem Online-Meeting ging es zudem um das zentrale Konzept der Datenräume. Tuncay Tunc, neuer CTO von Integrated Worlds, erläuterte anhand seiner Erfahrung aus der Automobilindustrie und dem Daten-Ökosystem Catena‑X, wie sich dezentrale und zugleich souveräne Datenräume aufbauen lassen, in denen die Kriterien Datenhoheit, Interoperabilität, Sicherheit und Governance gewährleistet sind. Die Initiative setzt voraus, dass sich ein Furniture‑X Data Space an den Regelwerken von Gaia‑X, der International Data Spaces Association (IDSA), der International Digital Twin Association (IDTA) und ECLASS orientiert und sowohl einen sicheren Datenaustausch über den Eclipse Data Space Connector (EDC), eine Open-Source-Softwarekomponente der Eclipse Foundation. Integrated Worlds betreibt mit IWO‑X schon heute einen funktionalen Furniture‑X Data Space als offenes System für Provider und User, der Services wie Registrierung, ID-Wallet, semantische Modelle, Marketplace-Funktionen und Discovery-Möglichkeiten bereithält und dabei durchgängig auf die vollständige Datensouveränität der Anwender Wert legt.
Praxisbeispiele: Usability im IWO‑X Datenraum
Michael Kaluza, Chief Product Officer bei Integrated Worlds, erläuterte die praktische Nutzung des IWO-X-Datenraums am Beispiel des Digital Twin Repository. Er demonstrierte, wie sich Artikel mitsamt Typenschildern, Identifikation, Übergabedokumentation und ECLASS-Basisdaten digital abbilden und wie sich Informationen und Assets jederzeit erweitern und aktualisieren lassen. Dass der Datenaustausch auch „klassisch“ über EDI möglich ist, zeigt das Anwendungsbeispiel von Konsortiums-Mitglied Polipol. Aus den Lighthouse-Modellen heraus entstehen fortlaufend weitere Submodelle innerhalb der Asset Administration Shell (AAS), die als modularer Baukasten für die digitale Repräsentation physischer Produkte dienen.
Vier konkrete Use Cases
Anschließend wurden vier mögliche Anwendungsszenarien präsentiert, die exemplarisch zeigen, welches Potenzial sich durch den Einsatz digitaler Zwillinge entlang der gesamten Wertschöpfungskette „Einrichten“ eröffnet. Der erste Anwendungsfall befasst sich mit digitalen Produktlösungen für den POS und für Endkunden. Im Mittelpunkt steht dabei, digitale Zwillinge für die Kundenansprache im Verkauf oder über digitale Kanäle nutzbar zu machen und so sowohl die Beratungstiefe als auch die Informationsqualität zu erhöhen.
Im zweiten Use Case geht es um Reklamations- und Reparaturprozesse. Ein Kunde könnte künftig eine Reklamation direkt über eine entsprechende App auslösen und bereits zu diesem Zeitpunkt Bildmaterial zur Dokumentation bereitstellen, was den gesamten Ablauf erheblich beschleunigen würde. Auch der unmittelbare Zugriff auf Ersatzteile könnte die Servicequalität aus Sicht des Endkunden spürbar verbessern. Klar ist auch: Durch aggregierte Auswertungen können Handels- und Industrieunternehmen zu wertvollen Erkenntnissen kommen, um das kritische Thema Reklamationen besser in den Griff zu bekommen.
Der dritte Anwendungsfall beschäftigt sich mit der Integration von Zulieferdaten in die Bill of Materials (BOM) der Hersteller. Dies schafft insbesondere für das professionelle Handwerk neue Möglichkeiten, beispielsweise durch eine zielgerichtete und schnellere Ersatzteilversorgung. Der vierte Use Case fokussiert schließlich die umfassende Datenintegration von Produktinformationen, Kundendokumenten oder Zertifikaten mithilfe digitaler Zwillinge. Dies würde die Datenqualität und Dokumentationsdichte aus Sicht des Handels und damit auch aus Sicht der Endkunden deutlich erhöhen und die Prozesse entlang der Customer Journey nachhaltig und nutzerfreundlich verbessern.
Workshop-Ergebnisse und next steps 2026
Im Anschluss wurden drei Arbeitsgruppen gebildet, um die vorgestellten Use Cases im gemeinsamen Diskurs zu vertiefen. Auf Miro-Boards sammelten die Teilnehmenden Ideen und Ansatzpunkte, die nach einer einstündigen Arbeitsphase dem gesamten Online-Plenum präsentiert wurden – ein deutliches Zeichen dafür, wie konstruktiv die Zusammenarbeit innerhalb der Initiative funktioniert. In den Workshops wurden grundlegende Fragestellungen aufgegriffen und präzisiert, insbesondere im Hinblick auf die Frage, wie detailliert Stücklisten (BOMs) an welchen Stellen der Wertschöpfungskette benötigt werden. Weitere Meetings wurden bereits für den Jahresanfang 2026 vereinbart, um die Arbeit in den Workshop-Gruppen fortzuführen und die erarbeiteten Ansätze für die einzelnen Use Cases (oder Lighthouse-Projekte) systematisch weiterzuentwickeln.
Albrecht Arenz, Geschäftsführer von Dein-Konfigurator, fasste für die Gruppe zum Thema Datenintegration mithilfe von Digital Twins zusammen: „Alle in der Gruppe sind heiß auf die nächsten Schritte und wollen so schnell wie möglich ein konkretes Projekt aufsetzen.“ Klaus Bröhl schloss die Sitzung mit den Worten: „Es hat hervorragend geklappt, aktuelle Themenstellungen in diesem Online-Format weiterzutreiben. Das sind hervorragende Aussichten für das Jahr 2026.“
