Ganzheitliche Digitalisierung und Touchpoints im Verkaufsprozess

Es ist span­nend zu beobacht­en, welche The­men­felder der Dig­i­tal­isierung in den Vorder­grund gerückt wer­den und wie sich dabei die Pri­or­itäten je nach den Rollen in der Wertschöp­fungs­kette unterscheiden.

Die Cus­tomer Jour­ney ste­ht seit Jahren vorder­gründig als das Zauber­wort für wirtschaftlichen Erfolg. Dabei über­bi­eten sich die Experten-Ratschläge zur Dig­i­tal­isierung der Touch­points im Verkauf­sprozess, zu Mul­ti­chan­nel-Strate­gien, zu eCom­merce-Konzepten usw… Die Reise des Kun­den ist aber viel länger und wird von vie­len weit­eren Fak­toren bee­in­flusst, als nur vom Kern des Verkaufsprozesses.

Man kann derzeit den Ein­druck gewin­nen, dass aktuell nur noch die dig­i­tal­en Touch-Points eine Rolle spie­len und sowohl dem sta­tionären Han­del als auch unseren Innen­städten das Ende prophezeit wer­den kann.

Sich­er wird der Online­han­del weit­er mächtig zule­gen, aber der sta­tionäre Han­del wird deshalb nicht erset­zt. Vielmehr wird der Han­del seinen Kun­den den Einkauf über alle – auch dig­i­tale — Kanäle hin­weg ermöglichen – er wird selb­st zum Online­händler — und seine sta­tionären Stan­dorte für den Kun­den zu attrak­tiv­en Erleb­nisorten umgestal­ten. Genau­so wie frühere Online Pure Play­er nun ihre Show­room Konzepte aus­bauen. Unter dem Strich nimmt die Anzahl an Ver­trieb­skanälen und damit ver­bun­de­nen Touch­points zu.

 

Für einen Her­steller ergeben sich eben­falls neue Her­aus­forderun­gen, die sich aus den Ver­hal­tensän­derun­gen der End­kun­den und fol­gerichtig den Anpas­sun­gen der tra­di­tionellen Han­delsstruk­turen ergeben und denen auch er als selb­st­be­wusster Unternehmer begeg­nen muss. Er wird sich­er auch prüfen müssen, inwieweit es für ihn sin­nvoll ist, End­kun­den mit seinen Sor­ti­menten direkt anzus­prechen (D2C) oder wie er den sta­tionären oder den Online­han­del mit dig­i­tal­en Ser­vices oder opti­mierten Prozessen aktiv unter­stützen kann.

In Zukun­ft wird von allen erfol­gsori­en­tierten Unternehmern viel häu­figer gefordert wer­den, ihre Rolle und Posi­tion am Markt ständig und flex­i­bel zu hin­ter­fra­gen. Sie wer­den die dig­i­tal­en Kanäle inten­siv und intel­li­gent nutzen und ihre inter­nen Prozesse sowie die Prozesse hin zu ihren Part­nern ständig opti­mieren müssen, um so dem stetig zunehmenden Erwartungs­druck der Kun­den nach­haltig gerecht zu wer­den. Chan­cen und Möglichkeit­en der Dig­i­tal­isierung wer­den erprobt, etabliert und opti­miert – in allen Geschäfts­bere­ichen des Unternehmens.

Und eines wird dabei immer deut­lich­er. Erfol­gre­iche Dig­i­tal­isierung endet nicht an der eige­nen Unternehmen­sp­forte, son­dern ist ein unternehmen­süber­greifend­es The­ma, das sich zudem aus ein­er Vielzahl von unter­schiedlichen Dig­i­tal­isierungs­maß­nah­men zu einem ganzheitlichen Bild zusammensetzt!

Die Loyalität des Kunden – grundlegendes Ziel der Digitalisierung

Die langfristige Kun­den­loy­al­ität ist Wesens­merk­mal eines erfol­gre­ichen Cus­tomer Jour­ney Man­age­ments. Zufriedene Kun­den bauen Ver­trauen auf, kom­men wieder und empfehlen weit­er. Und diese Gewis­sheit gilt sowohl für den sta­tionären als auch für den Onlinehandel.

Die Moments of Truth sind dabei alle Momente in denen der Kunde sich über die Wahrnehmung eines Pro­duk­ts, die Begeg­nung mit einem Unternehmen oder die Erfahrung mit ein­er Ser­viceleis­tung für sich seine eigene indi­vidu­elle Wahrnehmung aufbaut.

Per­fek­te Pro­duk­tin­sze­nierung in Wort, Ton und Bild, 3D Darstel­lung und Pla­nung, Aug­ment­ed Real­i­ty, Social Media Kam­pag­nen zie­len alle auf den ersten Teil der Cus­tomer Jour­ney. Dabei ist es uner­he­blich, ob diese Kon­tak­te online, mobil, im Ladengeschäft, B2B, B2C, D2C stat­tfind­en — sie alle zie­len darauf ab, einen Kun­den für ein Pro­dukt oder eine Leis­tung zu inter­essieren und den Kun­den einen Kauf in Betra­cht ziehen zu lassen.

Ist diese erste Hürde über­wun­den, treten dann für einen Kun­den oft ganz andere Aspek­te in den Vorder­grund, wie z.B. die Beant­wor­tung von Fra­gen zu den Pro­duk­ten, das Bedürf­nis berat­en zu wer­den, die Ver­füg­barkeit eines Pro­duk­tes, Ver­sand- und Rück­ver­sand­kon­di­tio­nen, die Lieferzeit von Pro­duk­ten usw.. Am Ende inter­essieren zur Absicherung der Kaufentschei­dung auch noch die Erfahrun­gen ander­er Kun­den mit einem Pro­dukt oder – in unser­er Branche meist noch wichtiger — mit dem Anbieter.

Hand aufs Herz: Haben Sie Ihren Fre­un­den und Bekan­nten schon ein­mal ein Pro­dukt, einen sta­tionären Händler oder einen Online-Shop emp­fohlen, von dem Sie am Anfang hin und weg waren, der zweite Teil Ihrer Reise aber von einem Ser­vice geprägt war, der so gar nicht zu ihren ersten Ein­drück­en gepasst hat?

Zufriedene Kun­den bauen Ver­trauen auf, kom­men immer wieder und empfehlen weiter.

In diesem Artikel soll es im Fol­gen­den nun im Schw­er­punkt um diese Prozesse gehen. Um die Vorgänge, die ein Kunde vorder­gründig nicht wahrn­immt, sie im Resul­tat aber am Ende zu spüren bekommt und die sein Ver­hal­ten als Kon­sument nach­haltig prägen.

Prozessdigitalisierung — die dunkle Seite des Geschäfts oder der Schlüssel zum Profit?

Zu Beginn eine kurze Zwis­chen­frage: Wann bew­ertet ein Kunde — also auch Sie — seinen Einkauf? Direkt nach dem Kauf bzw. der Bestel­lung oder nach der Abwick­lung? Wie bes­tim­mend ist der erste Ein­druck zur Pro­duk­t­präsen­ta­tion, zum Preis oder zur Beratung und was bleibt bei ihm nach­haltig davon nach der Liefer­ung, nach dem Erhalt der Ware im Gedächtnis?

Den ersten Kau­fim­puls und sein Einkauf­ser­leb­nis wird ein Kunde im Möbel­haus oder im Inter­net erleben. Die Abwick­lung seines Kaufs ist zumeist bis zur etwaigen Liefer­ung für den Kun­den nicht sicht­bar oder er erhält lediglich auf den „let­zten Meilen“ die Track­ing Infor­ma­tio­nen eines Logistikers.

Willkom­men in der Cus­tomer Expe­ri­ence — in der Welt der Prozesse, die meist im Ver­bor­ge­nen, dem dun­klen Hin­ter­grund ablaufen. Dieser Bere­ich erstrahlt nicht im Licht von Mar­ket­ing und Ver­trieb, entschei­det mit den zahlre­ichen Vorgän­gen, die bei der Sor­ti­mentser­stel­lung, Auf­bere­itung von Pro­duk­t­in­for­ma­tio­nen und der kom­plex­en Abwick­lung von Kaufverträ­gen – also in Prozessen, die weit vor und weit nach dem eigentlichen Verkauf passieren – über Erfolg und Mis­ser­folg bei der Begeis­terung der Kon­sumenten mit dem Kauferlebnis.

Hier find­en wir die Sach­bear­beitung im Einkauf oder im Ver­trieb, im Lager, bei der Aus­liefer­ung, in der Finanzbuch­hal­tung, der Rekla­ma­tions­bear­beitung usw. des Verkäufers, des Her­stellers und des Logistikers.

Während Investi­tio­nen in die Dig­i­tal­isierung der Cus­tomer Jour­ney zur Steigerung der Con­ver­sion Rate als wertschaf­fend und kreativ gese­hen wer­den, betra­chtet man die Investi­tio­nen in die Poten­tiale der Prozess­dig­i­tal­isierung ent­lang der Kette vom End­kun­den bis zum Her­steller – ja teil­weise bis zum Zulief­er­er, häu­fig und auss­chließlich unter dem Gesicht­spunkt der Kostenop­ti­mierung. Vielerorts gel­ten diese Bere­iche oft weit­er­hin als wenig kreativ und oft als lästiges tech­nis­ches Beiwerk.

Der Koste­naspekt spielt sicher­lich eine wichtige Rolle und schlägt sich schlussendlich in Mar­gen und Preisen nieder, aber als viel bedeut­samer wer­den mit­tler­weile die Poten­tiale der Qual­ität­sop­ti­mierung der dig­i­tal­isierten unternehmen­süber­greifend­en Abwick­lung von Prozessen wahrgenommen.

Hier ein paar Beispiele:

  • Elek­tro­n­isch bere­it­gestellte stan­dar­d­isierte Pro­duk­t­in­for­ma­tio­nen (z.B. IDM-For­mat) kön­nen schneller für den Verkauf genutzt wer­den, sind weniger fehler­an­fäl­lig, ein­fach­er aktu­al­isier­bar und sind Grund­lage für die ordentlich Beratung des Kun­den und die nicht nur dig­i­tale Auftragsabwicklung.
  • Eine stan­dar­d­isierte dig­i­tal nutzbare Pro­duk­tk­las­si­fika­tion (z.B. eCl@ss) unter­stützt alle auch unternehmen­süber­greifend­en Bere­iche des Cat­e­go­ry Managements.
  • Elek­tro­n­is­ch­er Date­naus­tausch reduziert die Bear­beitungszeit, die Fehlerquoten und erhöht die Geschwindigkeit bei der Abwick­lung. Schnel­ligkeit in der Abwick­lung reduziert die Lieferzeit aus Sicht des Kun­den. Er bekommt die Ware früher und sowohl aus Sicht des Händlers als auch seines Liefer­an­ten wer­den Bezahl­fris­ten verkürzt.
  • Trans­par­ente Bestandsin­for­ma­tio­nen und Ver­füg­barkeit­en stützen die Dis­po­si­tion, reduzieren Lagerbestände und Kap­i­tal­bindung bee­in­flussen die Preiskalku­la­tion. Ver­lässliche Infor­ma­tio­nen zur Ver­füg­barkeit und zu Lieferzeit­en am POS steigern die Zufrieden­heit und erhöhen die Kauf­bere­itschaft der Kunden.

Es wird hier deut­lich, dass verkaufende Unternehmen diesen unternehmen­süber­greifend­en Anforderun­gen, die ja bis zum End­kun­den durch­schla­gen, allein nicht begeg­nen kann.

Die Prozess­dig­i­tal­isierung fordert langfristig die elek­tro­n­is­che Zusam­me­nar­beit aller beteiligten Geschäftspart­ner, um den größt­möglichen Nutzen und Ser­vice für den (gemein­samen!) End­kun­den bieten zu können.

Autoren: Klaus Bröhl und Diet­mar Weber, IWO­furn